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Die weiblichen Figuren sind bei Keller von der Sprechposition einer männlichen Autorschaft zwar ausgeschlossen, im Ausschluss aber nicht gänzlich zum Verstummen gebracht. Angewiesen auf die Ausdrucksweise der Männer, formulieren sie sich über die Entstellung einer vorgegebenen Sprache, in der sie als andere Stimme blitzhaft aufscheinen. Mit der Ausgestaltung dieser Konstellation verfällt Keller nicht der naiven Fiktion einer authentisch weiblichen Stimme, die sich befreit von sämtlichen kulturgeschichtlichen Vorgaben artikulieren und gleichsam die Wahrheit der Frau zur Sprache bringen könnte. Seine Texte gestalten am Beispiel der weiblichen Stimme vielmehr mit äusserster Konsequenz den problematischen Ort der Frau in einer symbolischen Ordnung, die ihr den Zugang zur *Subjektposition verweigert und sie in dieser Ausgrenzung zugleich für die Aufrechterhaltung ihrer Struktur beansprucht. Die Sprache der Frau wird bei Keller damit nicht zum *utopischen Gegenbild einer anderen Rede, sondern gibt als Rede aus der Position des *Anderen Einblick in die Herrschaftsmechanismen der geltenden Ordnung.
I
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Ausschnitt aus: Stimme und Schrift. *Geschlechterdifferenz und *Autorschaft bei *Amrein Ursula





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Das Programm der Wiedergeburt, das die Darstellung der "Italienischen Reise" dominiert, kann dabei betrachtet werden als eine *Subjektivierung und Individualisierung des von Winkelmann in seinen "Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst" (1755) formulierten Bildungsziels, sich auf dem Wege der Nachahmung der Griechen als‚Original‘ zu schaffen: "Der einzige Weg für uns, groß, ja, wenn es möglich ist, unnachahmlich zu werden, ist die Nachahmung der Alten." Rom bildet für dieses Unterfangen nicht nur Vorbild und Vorlage, es stellt zugleich die historische und topographische Mitte zwischen der griechischen Antike und der sächsischen Gegenwart dar, - in der Goethe gegenüber dem Modell seines Vorläufers lediglich Weimar gegen Dresden eingetauscht hat. Hatte Winkelmann noch stolz verkündet, "und Dresden wird nunmehro Athen für die Künstler", so wird Goethe, von der Römischen Reise zurückgekehrt, nicht nur Weimar zum deutschen Kunst- und Museumszentrum auszubauen suchen, sondern diesen Ort auch als Eingangshalle in die Kunst des Altertums bezeichnen und inszenieren, was er symbolisch im Titel der 1798 gegründeten Kunstzeitschrift "Propyläen" zum Ausdruck bringt.

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Ausschnitt aus : Ortstermin an einem Gedächtnisschauplatz: *Goethe und Heine in Verona
*Weigel Sigrid





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Statt dessen beabsichtige - in dieser Hinsicht traf ich mich mit Chomsky, der damals den Begriff der "generativen Grammatik" vorschlug -, die aktiven , erfinderischen, "schöpferischen" Fähigkeitendes Habitus und des Akteurs hervorzuheben, gedachte jedoch zu unterstreichen, dass diese generative Potenz - anders als Chomsky - nicht die einer Natur oder einer universellen Vernunft ist: Der Habitus stellt, wie das Wort schon sagt, etwas erworbenes und zugleich ein "Haben" dar, das manchmal als Kapital funktionieren kann; er lässt sich auch nicht länger, wie in der idealisitschen Tradition geschehen, einem transzendentalen *Subjekt zusprechen.
(Regeln der Kunst, s286)...

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Ausschnitt aus: raison d´agir = liefern intellektuelle jetzt wieder gründe zu handeln




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Die Schweiz ist… *Schokolade
Beispielsweise ging ein Aufschrei des Entsetzens durch die Medien, als bekannt wurde, dass mitten im *Gotthardmassiv bei Probebohrungen eine seltsame geologische Deformation entdeckt worden war: die Prioramulde bedrohte ein Tunnelprojekt und damit die politische Integration der Schweiz in Europa. Das steinerne Herz der Nation hatte einen Kern aus einer ‘zuckerförmigen Substanz’ preisgegeben, und diese klebrige Masse drohte das fragile symbolische Netzwerk der Politik zu überfluten. Mehr noch aber als ihre Integration war auf der phantasmatischen Ebene die Integrität der Nation selbst in Gefahr. Wie bei einem schlechten *Witz, den sich ein bösartiger Gott auf unsere Kosten erlaubt hatte, mussten wir mitansehen, wie sich vor unseren Augen auf naïve und direkte Weise der Gemeinplatz par excellence materialisierte. Das, was in der Schweiz mehr ist als sie selbst, jenes unbekannte X, das aus ihr mehr macht als eine kontingente Ansammlung partikularer Elemente (Schokolade und Uhren), entpuppte sich gerade als ‘zuckerförmige Substanz’, als inerte Masse eines stumpfsinnigen Geniessens (Schokolade).

Die Substanz ist… das *Subjekt
Was uns diese Episode lehrt, ist die harte hegelianische Lektion der spekulativen Identität von Substanz und Subjekt. Was genau steht hier auf dem *Spiel? Handelt es sich um einen blossen Unfall, einen Kurzschluss des Absoluten und einem seiner partikularen Elemente? Antonio Gramsci hat ein schönes Beispiel für dieses Problem geliefert: "Man könnte sich einen Rekruten vorstellen, der den Musterungsoffizieren die Theorie vom Staat als einem über den Individuen stehenden erklärt und verlangt, dass sie seine physische und materielle Person freilassen und jenes Etwas einziehen, das dazu beiträgt, das Nationale Etwas zu konstruieren.” Warum muss dieses Unterfangen fehlschlagen? Für Gramsci ist die Antwort klar: Weil die Substanz (das nationale Etwas) nicht mehr ist als seine *Subjekte, d. h. weil das nationale Etwas kein vor-subjektiver Grund ist, hat der Rekrut nichts mehr zu geben als sich selbst, als seine der Kontingenz, der Spaltung und dem ideologischen Schein unterworfene ‘physische materielle Person’. Das Etwas, "das dazu beiträgt, das Nationale Etwas zu konstruieren” ist für Gramsci dem Subjekt äusserlich. Aber diese intersubjektive Perspektive schlägt hier völlig fehl. Um die soziale Substanz zu erklären (im Sinne der Identifizierung mit dem ‘Nationalen Etwas’), müssen wir die Verhältnisse umkehren: Das Etwas mag dem Subjekt äusserlich sein, aber das, wofür das Subjekt steht – Kontingenz, Spaltung, Verkennung – ist der Substanz selbst innerlich. Mit anderen Worten, ‘Subjekt’ steht für den Mangel und den inneren antagonistischen Riss in der Substanz selbst. Oder, um es auf althusserianisch zu sagen: Das Subjekt repräsentiert das* imaginäre Verhältnis der Substanz zu ihren realen Existenzbedingungen.
Während Gramscis Beispiel auf der Seite des* Subjekts steht, demonstrieren uns die Warchowski-Brüder in ihrem SciFi-Thriller The *Matrix die Perspektive der Substanz. Morpheus, der Anführer der ‘Aufständischen’, ist durch Verrat in die Hände der Software-Agenten der Matrix gefallen. An die Foltersequenz schliesst ein grossartiger Monolog an, in dem Agent Smith Morpheus seine Sicht der Dinge darlegt:

Agent Smith leans close to Morpheus, whispering to him.

AGENT SMITH
Can you hear me, Morpheus? I'm
going to be honest with you.

He removes his earphone, letting it dangle over his
shoulder.

AGENT SMITH
I hate this place. This zoo.
This prison. This reality,
whatever you want to call it, I
can't stand it any longer. It's
the smell, if there is such a
thing. I feel saturated by it. I
can taste your stink and every
time I do, I fear that I've
somehow been infected by it.

He wipes sweat from Morpheus' forehead, coating the tips
of his fingers, holding them to Morpheus' nose.

AGENT SMITH
Repulsive, isn't it?

He lifts Morpheus' head, holding it tightly with both
hands.

AGENT SMITH
I must get out of here, I must get
free. In this mind is the key.
My key.

Morpheus sneers through his pain.

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Ausschnitt aus: Artikulation im hybriden Raum
*Freitag Jan




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Else Lasker-Schüler, die paranoide Hysterikerin, die Nervenkünstlerin, die zeit ihres Lebens mit der sie umgebenden Stadt nicht zurecht-, aber auch nicht von ihr loskommt, baut eine neue Metropole in ihrem Herzen: die Stadt Theben – das inwändige Berlin sozusagen, dessen sie Prinz und das heisst Herr ist.
Während die Versenkung ins Ich Else Lasker-Schüler eine Wirklichkeit wieder verschafft, die sie draussen in Berlin nicht mehr finden und empfinden kann, vollzieht sich mit der Erhebung des eigenen Innern zum Gegenstand der Kunst, die aus ihrem Innern erst erwächst, die vollständige Auflösung zwischen Schauendem und Geschautem, zwischen Kunstwerk und Kunstwerker.
Früher als es zu erwarten wäre und ohne theoretische Erkenntnis, durchschlägt eine Dichterin im modernen Berlin die Scheidewand zwischen *Subjekt und Objekt. Sie ernennt sich selbst zum Gegenstand ihres Werks – und das Werk wiederum erhebt sie zur eigenen, neuen Identität. Paradigmatisch für die Nachfolgenden wählt die betrachtende Autorin sich selbst zum Betrachteten, blickt ausschliesslich sich selbst im Innern:

Und doch liegt in Wirklichkeit mein Theben in meinem Herzen unterm Bluthorizont und ich auf Thebens schimmernder Spielwiese. (Brief an Paul Goldscheider 3.7.1927. Briefe I, 172)
Und lausch vor meiner Herzensbühne im Parquet mein Höllenspiel. (»IchundIch«, 47)

In Else Lasker-Schülers letztem, fragmentarischen Theaterstück »IchundIch« werden die erzählenden Figuren, fiktive, anderen Werken der Literatur entliehene, wie auch reale Persönlichkeiten und die Autorin selbst auf die Bühne zitiert, jene Herzensbühne die das Innere der Autorin selber ist. Das Kreisen in sich selbst, wozu der moderne Künstler der Grossstadt sich gezwungen sieht, wird zum Wirbel. Prototypisch und doch radikaler als kaum jemand davor und danach stürzt die Dichterin meinwärts und implodiert am Ende. Bühne und Spiel der Dichtung – Else Lasker-Schülers Herz – haben das nicht überlebt.

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Ausschnitt aus: Ein Prototyp: Else Lasker-Schüler - Dichterin in der *Metropole *Berlin um 1900
*Binotto Johannes




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Daß Woody Allen gerade seiner Heldin die zukunftträchtigere Definition von Realität in den Mund legt ist kein Zufall. Seit Lacan wissen wir: Die Frau gibt es nicht. Interessant an diesem Gemeinplatz ist nun weniger der Umstand, daß die Frau in unserer Kultur vom männlichen Blick geschaffen wird. Vielmehr, sie wurde nie als universales *Subjekt verstanden und konnte deshalb die kulturellen Gesetze, denen unsere Identitätskonzepte entspringen, als Illusion begreifen: als symbolische Fiktionen, die zwar notwendig aber nicht allumfassend und ausschließlich sind, und mit deren Regeln man demzufolge am besten spielerisch umgehen sollte. Der Vormarsch der Frauen, der seit Anbruch der *Moderne unsere Öffentlichkeit nachhaltig geprägt hat, zwingt uns am Ende des Jahrtausends angelangt einzusehen: Auch den Mann als universales Subjekt gibt es nicht. Und was dieser, nun endlich auch genötigt, die ihm zugewiesene gesellschaftliche Identität als Rollenspiel anzuerkennen, von denjenigen lernen kann, die die Illusion ihrer gesellschaftlichen Definition immer schon als solche aufrechterhalten haben, sind die Möglichkeiten, die sich aus dem *Spiel der Illusion ergeben.

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Ausschnitt aus:
Eurydikes starke Schwestern. Gedanken zur Krise der *Männlichkeit im *Hollywood *Kino der 90ger Jahre
*Bronfen Elisabeth




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So deutet denn diese prägende Erfahrung des rationalen* Diskurses, verbunden mit einem unbesiegbaren Drang, die Welt schöner zu schreiben als sie ist, auf jenen Mangel an intellektueller Stringenz, der im Lauf der Jahre ein gewisses hierarchie-verdächtiges Ungleichgewicht in unsere Freundschaft getragen hat: Während Michael mit eiserner epistemologischer Selbstdisziplin in die Verhältnisse zwischen *Subjekt, Werk und Wirklichkeit eindrang, liess ich mich auf so etwas Niedriges ein wie Ökonomie, schweifte in allen möglichen Grenzgebieten zwischen den Disziplinen herum und war stets bedacht, mir meine Möglichkeiten nicht durch Tatsachen einengen zu lassen.

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Ausschnitt aus: Autobiographische Notizen zu Michael *Böhler
*Lutz Christian




Digitale Fingerübungen auf traurigen Tasten - eine Fussnote für Schreibhandwerker.
*Utz Peter





Die Metapher als Beobachtungsform zweiter Ordnung

Hofer Stefan




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