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Anders als Peter von Gunten mit seinen langen Einstellungen und, wenn überhaupt, ruhigen Kamerafahrten, kreiert Pepe Danquart den Eindruck dauernder Bewegung durch die schnellen Schnittfolgen der Montage. Alles ist in Bewegung: die Bahnen, Rolltreppen, Autos, Leute – Großstadt-Hektik. Wenn das Auge der Kamera einmal still auf der Szene ruht, dann kreuzen andere Bahnen das Bild, huschen Häuser und Laternen vorbei beim Blick aus dem Fenster der fahrenden Bahn. All dies suggeriert: eine Gesellschaft in Bewegung, im Übergang und ohne Ruhe, ein Leben im beschleunigten Rhythmus der *Metropole, ein dynamisches Gegenbild zugleich zur konservierenden *Phantasie einer beschaulichen Idylle des Landlebens, das statisch in sich selber ruht und nicht bedroht wird durch Wandel und Hast und Fremdes und immer Neues und Unbekanntes.
Der Film beginnt mit dem Bild eines Berliner Platzes, in das von rechts nach links diagonal eine Straßenbahn sich hinein bewegt. Die Szene wirkt ein wenig futuristisch verfremdet, die Silhouette der Hochhäuser in fast *amerikanischer Manier hoch in den Himmel gerichtet. Die *Musik verstärkt den Rhythmus durch schnellen Techno-Sound, der zum unterlegten Geräuschpegel einer high-tech-city paßt. Der Kameraschwenk folgt der horizontalen Bewegung der Bahn diagonal durch den Ausschnitt des Bildes, dann, für einen Moment, fließender Verkehr, Autos fahren vorbei, und sogleich schießt die Bahn wieder zurück ins Bild – und Schnitt: es folgt das Bild eines Mannes mit weißem Helm, der versucht, sein Motorrad zu starten. Im Hintergrund der Szene merkwürdig abstrakt wirkende Laternen, hohe Häuser, eine Brücke, über die sich eine andere Bahn schiebt.

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Ausschnitt aus: *Migrationsdiskurs im Kurz- und Dokumentar*film Peter von Guntens They teach us how to be happy und Pepe Danquarts Schwarzfahrer
Hess-Lüttich Ernest






Ein Prototyp: Else Lasker-Schüler - Dichterin in der *Metropole *Berlin um 1900

Binotto Johannes





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*Robert Walser war in Berlin ein Immigrant auf Zeit. Mehrmals hielt er sich in der Stadt auf, manchmal nur sehr kurz, auch einmal über Jahre. Doch seine Kontakte zu Berlin, waren durch ein "In-die-Fremde-aufbrechen" und ein "Nach-Hause-kehren" gekennzeichnet. Ihn jedoch als * Tourist zu bezeichnen, liegt mir fern, zu fest scheint er sich auf das Leben am jeweiligen Aufenthaltsort eingelassen zu haben. Spannend ist, wie sich im Folgenden zeigen wird, dass bei Walser das Zuhause und die Fremde nicht ortsgebunden sind, so auch im Falle der Schweiz und Berlin. Dies mag eine umso stärkere Auseinandersetzung mit dem Fremden und dem Eigenen mit sich gebracht haben.
Für die Zuwanderer aus der Schweiz stellt Berlin nicht nur eine Auslanderfahrung dar, sondern vor allem die Konfrontation mit dem *Metropolendiskurs, den sie nur in der Fremde machen können. Die beiden grossen Schweizer Städte Zürich und Genf stehen nur bedingt im Mittelpunkt des politischen Weltgeschehens, es sind keine wirklichen Indurstrie- und Massenkulturzentren, und sie sind vielleicht einfach schlichtweg zu klein, als dass man auch nur eine von ihnen als "Weltstadt", wie Walser Berlin bezeichnet, wahrnehmen könnte.
Berlin ist die Welt, wer in Berlin besteht, besteht überall.
"Eine Stadt wie Berlin ist ein ungezogener, frecher, intelligenter Bengel, bejahend, was ihm so passt, und wegwerfend, wessen er überdrüssig geworden." (Berlin und der Künstler, 1910)
Berlin entscheidet also über Gedeih und Verderb ihrer Künstler. Berlin ist Herausforderung, Messlatte. Diese Vorstellung, die in vielen Köpfen der kulturell tätigen Ankömmlinge geherrscht haben mag, beschränkte sich aber gerade bei Robert Walser nicht nur auf den beruflichen Erfolg, sondern sie stellte ein alles umfassender Lebenskampf dar.
"Ich setze voraus, dass irgendwo ein redlicher Lebenskampf vorhanden ist, der auf mich wartet, den ich daher aufsuchen muss. Träge Schönheit, lauen weichlichen Sommergenuss, Säumen, Verweilen, Zaudern vermag ich auf die Dauer nicht ertragen; [...]. Ich bilde mir ein, dass Berlin die Stadt sei, die mich entweder stürzen und verderben oder wachsen und gedeihen sehen soll. Eine Stadt, wo der rauhe, böse Lebenskampf regiert, habe ich nötig. Eine solche Stadt wird mir gut tun, wird mich beleben. Eine solche Stadt wird mich begünstigen und zugleich bändigen. Eine solche Stadt wird mir zum Bewusstsein bringen, dass ich vielleicht nicht gänzlich ohne gute Eigenschaften bin. In Berlin werde ich in kürzerer oder längerer Zeit zu meinem wahrhaftigen Vergnügen erfahren, was die Welt von mir will und was meinerseits ich selber von ihr zu wollen habe." (Würzburg, 1915)

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Ausschnitt aus:
*Robert Walser zwischen der Schweiz und *Berlin
Schibli Barbara




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Dieses Thema und die Auseinandersetzung mit dem Barbarismus, der oftmals mit Heidentum gleichgesetzt wird, ist selbstverständlich nicht ein Merkmal der englischen Literatur allein. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert können wir diesbezüglich Flauberts Salammbô neben Wildes Salomé (übrigens auch auf französisch geschrieben) und Cavafys "Waiting for the Barbarians" neben Eliots Wasteland stellen. Doch jedesmal, wenn uns diese Geschichte begegnet, sei es im Indien Kiplings, im China Ezra Pounds ("Lament of the Frontier Guard"), im Niemandsland von Coetzees Waiting for the Barbarians oder in Naipauls Karibik (z.B. in The Mimic Men), so sind die Versionen und Fragmente dieser Thematisierungen des Barbarismus immer mit einer erstaunlichen Brutalität und Grausamkeit verbunden. Ja, die Barbaren befinden sich teils innerhalb der Mauern, verteidigen sogar schon von Innen her das Reich gegen noch barbarischere Attacken von aussen. Die einzige Stabilität in diesem Chaos ist Stil. Dies kommt gut in Robert Graves Gedicht "The Cuirassiers of the Frontier" zum Ausdruck:

Goths, Vandals, Huns, Isaurian mountaineers,
Made Roman by our Roman sacrament,
We can know little (as we care little)
Of the Metropolis: her candled churches,
Her white-gowned pederastic senators,
The cut-throat factions of her Hippodrome,
The eunuchs of her draped saloons.
...........................
That we continue watchful on the rampart
Concerns no priest. A gaping silken dragon,
Puffed by the wind, suffices us for God.
We, not the City, are the Empire's soul:
A rotten tree lives only in its rind.

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Gothen, Vandalen, Hunnen, Isaurische Hinterwäldler
Alle wurden sie Römer dank römischem Sakrament.
Was wissen wir schon (wer schert sich darum?)
Ueber die *Metropole: ihre kerzendämmrigen Kirchen,
ihre weissgewandeten, kinderschändenden Senatoren,
ihre halsabschneiderischen Verschwörungen am Rande der Rennbahn,
ihre Eunuchen in tapezierten Gemächern.
...........................
Dass wir weiterhin wachsam auf den Zinnen stehen
interessiert den Priester kaum. Ein grinsender Seidendrachen,
vom Winde gebläht, genügt uns als Gottheit.
Wir, nicht die Stadt, sind des Reiches Seele:
Ein morscher Baum lebt weiter in der Rinde.

In der letzten Zeile, wo es "Rinde" anstatt "Borke" heisst, um klarzumachen, wie weit die Vermoderung schon vorangeschritten ist, offenbart sich der reaktionäre Charakter dieses modernistischen Stils. Die Wortwahl der jüngeren Literatur ist nuancierter. Lorenzo Valla hat das noch während der italienischen Renaissance ganz lapidar ausgedrückt: "Romanum Imperium ibi esse, ubi Romana lingua"--Wo die römische Sprache gesprochen wird, befindet man sich im Römischen Reich. Valla sagte dies zu Papst Nicholas V, und so kurz das Diktum ist, es zeugt doch vom ersten Schritt in der Verschiebung der Macht--von politisch-militärischer hin zu kultureller und kirchlicher Macht. Es besteht demnach eine seltsame Symmetrie in der Art und Weise, wie englische Literatur durch klassische Analogien und *intertextuelle Echos Eingang in die Weltliteratur gefunden hat.

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Ausschnitt aus: Das Empire der Sprache
Hughes Peter




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