Männlichkeit     
       
 






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Eurydikes starke Schwestern. Gedanken zur Krise der *Männlichkeit im *Hollywood *Kino der 90ger Jahre
Bronfen Elisabeth

Am Ende von *Celebrity, *Woody Allens jüngster Komödie über die Unsitten der Großstadtmenschen, sitzt sein von Kenneth Branagh gespieltes Alterego Lee unbegleitet im *Kinosaal. Um ihn herum die stars und fans, die wie er gekommen sind, um einer Filmpremiere beizuwohnen. Erschüttert starrt der erfolglose Schriftsteller auf die Kinoleinwand, auf der in der Anfangsszene des ablaufenden Films ein Flugzeug das Wort ‘help’ am Himmel erscheinen läßt. Gerade hat er seine geschiedene Frau Robin wieder getroffen und an ihrem maßlosen Glück erkennen müssen, wie hoffnungslose unglücklich er selber ist. Hatte er sich am Anfang des Films von ihr trennen wollen, weil er sich hemmungslos den Abenteuern des Lebens - den Frauen und der Kunst - hingeben wollte, muß er nun die Eitelkeit dieses Unterfangens einsehen. Wie sehr das Schicksal seinen Protagonisten eingeholt macht Woody Allen an der Schlaufe sichtbar, die dieses letzte Filmbild an den Anfang seines eigenen Films zurückbindet. Auch Celebrity hatte mit dem Auftauchen der Buchstaben am Himmel eingesetzt. Lee war bei den Dreharbeiten dieser Szene anwesend gewesen. Doch während er damals, seiner männlichen Potenz sicher, der verheissungsvollen Botschaft keine Beachtung schenkte, muß er diese nun unweigerlich auf sich selbst beziehen. Seine Liebesgeschichten sind alle gescheitert, sein Vorhaben, den großen *amerikanischen Roman des ausgehenden Jahrhunderts zu schreiben, auch. Stellvertretend für die Generation der 40jährigen gibt er sich entmutigt und entkräftet einer hilflosen Ratlosigkeit hin.
Woody Allen ist nicht der einzige, der auf die Krise des weissen, bürgerlichen Mannes, die in den letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts besonders virulent geworden ist, reagiert, indem er die traurigen Folgen dieser Kränkung ausschmückt. Am erschütterndsten ist dies Michel Houellebecq mit seinen Elementarteilchen gelungen. Mit einer Frauenverachtung, die in der Gegenwartsliteratur ihres gleichen sucht, wird hier die Schuld für das bedingungslose Unglück der Männer nicht nur dem egoistischen Selbsterfüllungsdrang der Nachkriegsmütter zugeschrieben. Auch dürfen hier nicht nur - wie es seit dem Orpheus-Mythos die Tradition diktiert - die *Geliebten der in ihrer Schöpfungskraft ermatteten Helden schön sterben, damit der Mann am Tod der Frau wieder erstarkt. Houellebecq verbietet uns selbst diesen schaurigen Trost. Er läßt seine erschlafften Männer am Tod der Frauen mit zugrunde gehen und macht daran zudem seine distopische Programatik fest: Am Ende des 20. Jahrhunderts bleibt uns als einziger Ausweg aus der Misere, in die der Humanismus und die *Aufklärung die westliche Kultur gestürzt haben, die radikale Auslöschung des Menschen und dessen Ersetzung durch eine neue Spezie.
Aber soll es ausser weiblichen Leichen als Auslöser für Kunst und dem Schwanengesang einer abdankenden männlichen Klasse, wirklich keine anderen *Bilder geben, mit denen wir den Zusammenbruch der Vormachtstellung des weissen bürgerlichen Mannes ästhetisch erörtern könnten. Bleiben uns wirklich nur Geschichten der Resignation, des Wahnsinns oder der Selbsttilgung? Oskar Negt hat einmal den Vorschlag gemacht: Den *Utopieverboten entsprechen die falschen Realitätsdefinitionen. Das scheint zumindest Woody Allen sich zu Herzen genommen zu haben. Denn das Unglück seines Alteregos wirkt gerade dadurch so brisant, daß parallel zu seinem Absturz gleichzeitig der Aufstieg der von ihm betrogenen Frau gefeiert wird. Judy Davis, die wie in Husbands and Wives eine verklemmte Stadtneurotikerin spielt, verwandelt sich im Verlauf der Handlung von einer schlampigen Schullehrerin in einen strahlenden, erfolgreichen Fernsehstar. Auf die ironische Wandlung, die ihr Leben eingenommen hat hinweisend erklärt Robin dem erstaunten Lee, sie sei sich völlig bewußt, daß sie sich in genau jene Art Frau verwandelt hat, die sie früher immer gehasst hat. Aber sie sei tatsächlich glücklicher. Gerade weil sie nur zu gut weiß, daß ihr plötzliches Glück zufällig ist, kann sie auch so lustvoll mit ihrer neuen Identität spielen.
Daß Woody Allen gerade seiner Heldin die zukunftträchtigere Definition von Realität in den Mund legt ist kein Zufall. Seit Lacan wissen wir: Die Frau gibt es nicht. Interessant an diesem Gemeinplatz ist nun weniger der Umstand, daß die Frau in unserer Kultur vom männlichen Blick geschaffen wird. Vielmehr, sie wurde nie als universales *Subjekt verstanden und konnte deshalb die kulturellen Gesetze, denen unsere Identitätskonzepte entspringen, als Illusion begreifen: als symbolische Fiktionen, die zwar notwendig aber nicht allumfassend und ausschließlich sind, und mit deren Regeln man demzufolge am besten spielerisch umgehen sollte. Der Vormarsch der Frauen, der seit Anbruch der *Moderne unsere Öffentlichkeit nachhaltig geprägt hat, zwingt uns am Ende des Jahrtausends angelangt einzusehen: Auch den Mann als universales Subjekt gibt es nicht. Und was dieser, nun endlich auch genötigt, die ihm zugewiesene gesellschaftliche Identität als Rollenspiel anzuerkennen, von denjenigen lernen kann, die die Illusion ihrer gesellschaftlichen Definition immer schon als solche aufrechterhalten haben, sind die Möglichkeiten, die sich aus dem *Spiel der Illusion ergeben.
So fallen einem bei der *Hollywoodproduktion der 90er Jahre immer wieder Heldinnen auf, deren Funktion darin besteht, die ihnen vorgeschriebene Position innerhalb ihrer Gemeinschaft auszuhandeln, und dabei entweder eine Gegenstimme zum Abgesang einer sinnentleerten *Männlichkeit oder eine ironische Distanz zur Verblendung ihrer Gegenspieler einzunehmen. Wes Craven wählt in seiner dunklen slasher-Komodie *Scream ganz bewußt teenager und college-Studenten als Protagonisten. Als *Jugendliche einer randständigen Klasse zugehörend können sie es sich noch erlauben, verdrängte und verbotene Verhaltensweisen auszukosten. Doch es ist seine von Neve Campbell gespielte Heldin, die jene Umschrift der Realitätsdefinition unternimmt, die ein Prinzip Hoffnung erlaubt. Mit der Tatsache konfrontiert, daß sie ihrer Vergangenheit nicht entkommen kann, schafft sie sich dennoch innerhalb der vorgegebenen Parameter die Freiheit, den Ausgang ihrer Geschichte selbst zu entscheiden. Während ihr *Geliebter, der sich als Mörder ihrer Mutter entpuppt, sie tödlich mit seiner Waffe bedroht, und ihr das von ihm ausgedachte Mordszenario erklärt, antwortet sie: ‘not in my script!’ Sie erkennt zwar, daß sie das Genre der Geschichte, die sie durchspielen muß, nicht ändern kann. Aus dem Horrorszenario kann keine seichte Liebeskomödie werden. Doch weil sie die ihr aufgezwungene Situation auch als script begreift, kann sie ihre Rolle in ihrem Interesse umgestalten. Wes Craven läßt sie ihren Widersacher erschießen und zeigt uns damit einen Ausweg aus einer selbstgefälligen Hilflosigkeit. Die von ihm angebotene *utopische Denkfigur lautet: die Realität wird von den Charakteren selbst postuliert. Als notwendiges gesellschaftliches script kann sie immer auch neu ausgehandelt werden.
Daß gerade die Frau auf der Seite des Gesetzes steht und mit ihrem vernünftigen Blick die verblendeten Halluzinationen ihres Gefährten ins richtige Licht zu rücken sucht, ist nicht neu. Seit der Romantik bevölkern nicht nur Hexen, Huren und Heilige unser Bildrepertoire, sondern auch Aufklärerinnen wie E.T.A. Hoffmans Clara. Ihrem sinnesverwirrten Nathanael, der in dem Wetterglashändler Coppola die Rückkehr des schrecklichen Sandmans aus dem Ammenmärchen wiederzuerkennen glaubt, hält sie entgegen: Die dunkle Macht, von dem er sich ergriffen glaubt, gibt es zwar. Aber es liegt an uns, ob wir ihr nachgeben, und sie somit zur Gestaltung bringen, oder nicht. Nur der Glaube an die feindliche Gewalt kann sie tatsächlich feindlich machen. Seit ihr fungiert die weibliche Geliebte immer wieder als Vexierspiegel und Korrektiv zugleich. Nicht zufällig hatte Frederic Raphael für die Ver*filmung von Schnitzlers Traumnovelle den Titel "The Female Subject” vorgeschlagen. Kubrick hat zwar dieses Angebot seines Drehbuchautors abgelehnt. Dennoch lebt Eyes Wide Shut von der Doppeldeutigkeit des englischen Wortes subject, die in diesem Titel steckt. Die Frage danach, was die Frau für ihren Gatten bedeutet, ist das Thema in einer Geschichte, in der sich Alice auch als weibliches Subjekt gegen die Vorurteile ihres Mannes durchsetzt. Er will die Frau so definieren, daß sie sein Selbstbild bestättigt. Sie widersetzt sich wiederholt dieser Vereinnahmung und beschreibt ihm in *schillernden Farben wie wenig er ihr Begehren kennt. Wiederholt antwortet er auf das Geständnis ihrer ehebrecherischen *Phantasien nicht. Stattdessen läßt er seine Gedanken wandern und sucht verzweifelt auf den nächtlichen Straßen New Yorks nach einem Liebesabenteuer, um sich an Alice zu rächen.
Wie Woody Allens Alterego bekommt auch er den Sex, den er sucht, nicht. Stattdessen findet Alice einen Weg, ihn aus seiner gefährlichen Selbstbezogenheit herauszulocken. Sie legt die Maske, die er als Tarnung bei der geheimen Orgie getragen hat, an seiner Stelle neben sich ins Bett und schläft ein. Sie zeigt ihm die Hohlheit seiner ungebrochenen männlichen Selbstsicherheit und zwingt ihn somit dazu, sie als gleichberechtigte Gesprächspartnerin anzuerkennen. Unter schmerzvollen Tränen gesteht er ihr, was er ihr bislang verheimlicht hat. Erfolgreich hat Alice die Realität ihrer Ehe neu definiert, eine Basis für ein ehrlicheres Zusammensein geschaffen. Auf seine Befürchtung, daß mit dem Zusammenbruch seiner Idealvorstellung der Frau alles verloren gegangen ist, es sei denn, sie könnte ihm versichern, sie sein für immer aufgewacht, antwortet sie mit der Hoffnung, die darin liegt, die Illusion ihrer wiedergewonnenen Identität als solche anzunehmen: Laß uns dankbar sein, daß wir alle erlebten und erträumten Abenteuer überstanden haben und jetzt zumindest aufgewacht sind. Das ist die Stimme Claras. Kubricks Held hört auf sie. Darin liegt seine utopische Geste.
Auch Finchers Heldin Marla Singer dient als Korrektiv zum totalisierenden Männerbund, der in Fight Club zelebriert wird. In das ‘wir,’ das sich die jungen Männer in den *Kellerräumen erkämpfen, paßt sie nicht. Deshalb ist ihre Widerrede auch so gefährlich. Indem sie darauf besteht, daß auch sie einen Anspruch darauf hat, die Realität zu definieren, die sie mit ihrem Geliebten teilt, zeigt sie dem Erzähler, daß ein Rückzug auf das universale männliche Subjekt nicht mehr möglich ist. Sie ficht seinen Wunsch, sie gänzlich in seinen Phantasien aufgehen zu lassen, an. Nachdem ihm klar geworden ist, daß er im letzten Jahr zunehmend im Zustand der Verblendung gelebt hat, bittet er sie um Verzeihung. Die wahren Umstände seiner geistigen Umnachtung behält er jedoch für sich. Nur der Ausschluß der Frau läßt ihn an dem ‘wir’ der im fight club zelebrierten männlichen Autonomie weiterhin festhalten. Marla nimmt die Floskel nicht an. Ihre Antwort spiegelt die Hohlheit seiner Entschuldigungsversuche: ‘I’m sorry, you’re sorry, everybody’s sorry.’ Man könnte fast vermuten, David Fincher spielt auf jene Szene in Celebrity an, als Lee seiner Geliebten, am dem Vormittag, an dem sie mit ihren gesamten Möbeln bei ihm einziehen möchte, erklärt, er hätte jemand anderen getroffen. Auch Bonnie ist nicht bereit, die Erklärung zu akzeptieren, er wüsste, er täte ihr unrecht, hoffe aber, weil er so ehrlich ist, es ihr einzugestehen, daß sie sein Versagen verzeihen möge. Sie nimmt dieses Geständnis für was es ist: Ausdruck eines gnadenlosen Egoismus, der deshalb so perfide ist, weil Selbstbeschuldigung eingesetzt wird, um verantwortungsloses Verhalten zu rechtfertigen. Ihn einen Psychoten nennend, fällt sie wie Alice auf die einzige Sprache zurück, der er nicht ausweichen kann, die sprechende Geste. Sie stiehlt ihm das, was ihm wirklich lieb ist - das Manuskript seines Romans - springt auf eine Fähre und verstreut dessen Blätter auf dem Meer.
Bei Woody Allen werden die betrogenen Frauen zu erfolgreichen Autorinnen und Fernsehstars. Bei Wes Craven sind sie diejenigen, die ethisch handeln und die gültige Version der schrecklichen Ereignisse bestimmen und überliefern, bei Kubrick die hellsichtig analysierenden. David Finchers Marla erfährt am Ende ihrer nächtlichen Abenteuer den Zauber der Liebe. Eines ist ihnen jedoch allen gemein: An ihnen wird eine Realitätsdefinition durchgespielt, die das Versprechen der Utopie erlaubt. Es gibt den glücklichen Zufall, man muss sein Begehren nicht aufgeben, man kann eine fatale Situation zu seinen Gunsten umwenden. Mit diesen Geschichten, die zwar nur Illusionsspiele sind, die uns aber erlauben, mit den unlösbaren Widersprüchen unserer Welt sinnvoll zu leben, läßt sich vielleicht besser ins nächste Jahrtausend gehen, als mit dem Chor der zynischen Männerstimmen, die ihre eigene Auslöschung besingen. Am Ende des 20. Jahrtausends erweist sich die Randständigkeit der Frau als ihre wirkliche ethische Stärke. Sie muß sich dem Abgesang des Mannes nicht einfügen. Sie hatte an diesem todgeweihten Projekt nie Teil.


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