[...]

Aufgreifen möchte ich nun exemplarisch einen Teilbereich meiner Arbeit, und zwar die Liebesgedichte – Sie erinnern sich an meine beiden Antworten auf die Frage nach meinem Dissertationsthema:

Die sogenannten Suleika-Lieder sind denn auch die bekanntesten Gedichte der Sammlung. In der Figur der Geliebten tritt Suleika mit dem Dichter, der sich Hatem nennt, in ein Wechselgespräch. Dadurch erhält die *Geliebte im Divan für einmal selbst eine Stimme. Und wie so oft bei Goehte findet sich hinter der literarischen Figur auch eine historisch verbürgte Geliebte des Dichterfürsten: Sie heisst Marinne von Willemer und ist die Frau eines Frankfurter Bankiers. Brisant an der Geschichte ist die Tatsache, dass ein paar Gedichte des Divan von Marianne von Willemer selbst stammen, was jedoch erst viel später bekannt wurde, und zwar nachdem die Texte längst als besonders gelungene Schöpfungen Goethes rezipiert worden waren. Die Existenz dieser Gedichte stellt letztlich die *Autorschaft Goethes in Frage, da sie belegen, dass sein Stil, seine Originalität offenbar zu kopieren sind. Damit bin ich beim zentralen Komplex meiner Arbeit angelangt: der Frage nach der Autorschaft und deren Verbindungen mit der Herausbildung von bestimmten kulturellen Vorstellungen von Liebe.

[...]


Ausschnitt aus: *Goethe an der Dissertationsfeier vom 17.12.99
Gabriele Schwieder




[ ... ]

Auch Finchers Heldin Marla Singer dient als Korrektiv zum totalisierenden Männerbund, der in Fight Club zelebriert wird. In das ‘wir,’ das sich die jungen Männer in den *Kellerräumen erkämpfen, paßt sie nicht. Deshalb ist ihre Widerrede auch so gefährlich. Indem sie darauf besteht, daß auch sie einen Anspruch darauf hat, die Realität zu definieren, die sie mit ihrem Geliebten teilt, zeigt sie dem Erzähler, daß ein Rückzug auf das universale männliche Subjekt nicht mehr möglich ist. Sie ficht seinen Wunsch, sie gänzlich in seinen Phantasien aufgehen zu lassen, an. Nachdem ihm klar geworden ist, daß er im letzten Jahr zunehmend im Zustand der Verblendung gelebt hat, bittet er sie um Verzeihung. Die wahren Umstände seiner geistigen Umnachtung behält er jedoch für sich. Nur der Ausschluß der Frau läßt ihn an dem ‘wir’ der im fight club zelebrierten männlichen Autonomie weiterhin festhalten. Marla nimmt die Floskel nicht an. Ihre Antwort spiegelt die Hohlheit seiner Entschuldigungsversuche: ‘I’m sorry, you’re sorry, everybody’s sorry.’ Man könnte fast vermuten, David Fincher spielt auf jene Szene in Celebrity an, als Lee seiner Geliebten, am dem Vormittag, an dem sie mit ihren gesamten Möbeln bei ihm einziehen möchte, erklärt, er hätte jemand anderen getroffen. Auch Bonnie ist nicht bereit, die Erklärung zu akzeptieren, er wüsste, er täte ihr unrecht, hoffe aber, weil er so ehrlich ist, es ihr einzugestehen, daß sie sein Versagen verzeihen möge. Sie nimmt dieses Geständnis für was es ist: Ausdruck eines gnadenlosen Egoismus, der deshalb so perfide ist, weil Selbstbeschuldigung eingesetzt wird, um verantwortungsloses Verhalten zu rechtfertigen. Ihn einen Psychoten nennend, fällt sie wie Alice auf die einzige Sprache zurück, der er nicht ausweichen kann, die sprechende Geste. Sie stiehlt ihm das, was ihm wirklich lieb ist - das Manuskript seines Romans - springt auf eine Fähre und verstreut dessen Blätter auf dem Meer.
Bei Woody Allen werden die betrogenen Frauen zu erfolgreichen Autorinnen und Fernsehstars. Bei Wes Craven sind sie diejenigen, die ethisch handeln und die gültige Version der schrecklichen Ereignisse bestimmen und überliefern, bei Kubrick die hellsichtig analysierenden. David Finchers Marla erfährt am Ende ihrer nächtlichen Abenteuer den Zauber der Liebe. Eines ist ihnen jedoch allen gemein: An ihnen wird eine Realitätsdefinition durchgespielt, die das Versprechen der Utopie erlaubt. Es gibt den glücklichen Zufall, man muss sein Begehren nicht aufgeben, man kann eine fatale Situation zu seinen Gunsten umwenden. Mit diesen Geschichten, die zwar nur Illusionsspiele sind, die uns aber erlauben, mit den unlösbaren Widersprüchen unserer Welt sinnvoll zu leben, läßt sich vielleicht besser ins nächste Jahrtausend gehen, als mit dem Chor der zynischen Männerstimmen, die ihre eigene Auslöschung besingen. Am Ende des 20. Jahrtausends erweist sich die Randständigkeit der Frau als ihre wirkliche ethische Stärke. Sie muß sich dem Abgesang des Mannes nicht einfügen. Sie hatte an diesem todgeweihten Projekt nie Teil.
[ ... ]

Ausschnitt aus: Eurydikes starke Schwestern. Gedanken zur Krise der *Männlichkeit im *Hollywood *Kino der 90ger Jahre
Bronfen Elisabeth




[...]

Die Lehre des Spinoza hat sich aus der mathematischen Hülle entpuppt und umflattert uns als Goethes Lied. Daher die Wut unserer Orthodoxen und Pietisten gegen das Goethesche Lied. Mit ihren frommen Bärentatzen tappen sie nach diesem Schmetterling, der ihnen beständig entflattert. Das ist so zart ätherisch, so duftig beflügelt. Die harmonischen Verse umschlingen dein Herz wie eine zärtliche *Geliebte; das Wort umarmt dich, während der Gedanke dich küßt.
Die Altgläubigen ärgerten sich, daß in dem Stamme des großen Baumes Goethe keine Nische mit einem Heiligenbildchen befindlich war, ja, daß sogar die nackten Dryaden des Heidentums darin ihr Hexenwesen trieben. Die Neugläubigen, die Bekenner des Liberalismus, ärgerten sich im Gegenteil, daß man diesen Baum nicht zu einem Freiheitsbaum, und am allerwenigsten zu einer Barrikade benutzen konnte. In der Tat, der Baum war zu hoch, man konnte nicht auf seinen Wipfel eine rote Mütze stecken und darunter die Carmagnole tanzen. Das große Publikum aber verehrte diesen Baum eben weil er so selbständig herrlich war, weil er so lieblich die ganze Welt mit seinem Wohlduft erfüllte, weil seine Zweige so prachtvoll bis in den Himmel ragten, so daß es aussah, als seien die Sterne nur die goldnen Früchte des großen Wunderbaums.

[...]

Ausschnitt aus: "DIE LETZTEN TÖNE DER MARSEILLAISE MÜSSEN VERHALLEN"
Ein kleines Geburtstagsgebinde für Michael *Böhler aus melancholisch getrockneten Heine-Blumen um *Goethes Jupiterhaupt
Briegleb Klaus




  Biografie







   Bekanntschaft