Querflöte

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Im Verhältnis von weiblicher Stimme und männlichem Text bezieht sich das Telegramm der Salanders sehr genau auf die im *Aufklärungsdiskurs des 18. Jahrhunderts festgelegte *Geschlechterdifferenz, die das Weibliche über die Natur, das Männliche über die Vernunft definiert. Weiblichkeit steht in dieser Konstellation für das Andere einer vernunftorientierten Ordnung und damit für das, was der Mann in einem an Fortschritt und Rationalität orientierten Prozess verloren hat. Indem Weiblichkeit zur Verkörperung dessen wird, was vom Zivilisationsprozess entweder nicht erfasst oder unterdrückt wurde, erscheint die Artikulation des Verdrängten und Verlorenen folgerichtig an eine weibliche Stimme gebunden, die innerhalb der herrschenden Ordnung sowohl im Effekt der Bereicherung als auch im Effekt der Zerstörung aufscheinen kann.
Literarisch hat diese Konstellation in der Figur der Wasserfrau im 19. Jahrhundert eine ihrer wirkungsmächtigsten Ausformulierungen erfahren. Als Naturwesen ohne Seele, halb Menschenkörper und halb Fischleib, angesiedelt ausserhalb der menschlichen Zivilisation, bleiben die Wasserfrauen den Blicken meist entzogen. Sie werden vielfach nur über ihre Stimme wahrgenommen, die als verführerischer Klang oder furchterregender Schrei hörbar ist und sich darin an eine spezifische *Musikalität gebunden zeigt. Der Wasserfrauenmythos bezieht sich in dieser Ausgestaltung nicht nur auf den Naturdiskurs der Aufklärung, sondern auch auf eine Entgegensetzung von Musik und Sprache, wie sie die Ästhetik des 18. Jahrhunderts ausformulierte. Musik ist in dieser Ästhetik als Artikulationsweise definiert, die im vollständigen Verzicht auf Signifikanz auszudrücken vermag, was in der Sprache nicht mitteilbar ist und der Normalität deshalb entzogen bleibt. Analog zur Natur besetzt die Musik damit die Position des »Anderen der Vernunft«. In der Analogisierung dieses je Anderen bindet der Wasserfrauenmythos an die Stimme der Frau, was sich über die Vernunftsprache des Mannes nicht vermitteln lässt. Diese weibliche Stimme wird vom Mann als Lockruf wahrgenommen, der verführerisch und gefährlich zugleich ist, denn er fordert zu einer Grenzüberschreitung auf, die sich vielfach mit Auflösung und Tod verbunden zeigt.

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Es ist freilich nicht so gekommen. Um sich für die erwiesene Güte und *Freundlichkeit dankbar zu erweisen und ihren guten Willen zu zeigen, ratschlagten die Musen untereinander und übten in einem abgelegenen Winkel der Unterwelt einen Lobgesang ein, dem sie die Form der im Himmel üblichen feierlichen Choräle zu geben suchten. Sie teilten sich in zwei Hälften von je vier Stimmen, über welche Urania eine Art Oberstimme führte, und brachten so eine merkwürdige Vokal*musik zuwege.

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Ausschnitte aus: Stimme und Schrift. *Geschlechterdifferenz und *Autorschaft bei *Keller.html'>Gottfried Keller
Amrein Ursula




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3.2 Kameraführung
Anders als Peter von Gunten mit seinen langen Einstellungen und, wenn überhaupt, ruhigen Kamerafahrten, kreiert Pepe Danquart den Eindruck dauernder Bewegung durch die schnellen Schnittfolgen der Montage. Alles ist in Bewegung: die Bahnen, Rolltreppen, Autos, Leute – Großstadt-Hektik. Wenn das Auge der Kamera einmal still auf der Szene ruht, dann kreuzen andere Bahnen das Bild, huschen Häuser und Laternen vorbei beim Blick aus dem Fenster der fahrenden Bahn. All dies suggeriert: eine Gesellschaft in Bewegung, im Übergang und ohne Ruhe, ein Leben im beschleunigten Rhythmus der *Metropole, ein dynamisches Gegenbild zugleich zur konservierenden *Phantasie einer beschaulichen Idylle des Landlebens, das statisch in sich selber ruht und nicht bedroht wird durch Wandel und Hast und Fremdes und immer Neues und Unbekanntes.
Der Film beginnt mit dem Bild eines Berliner Platzes, in das von rechts nach links diagonal eine Straßenbahn sich hinein bewegt. Die Szene wirkt ein wenig futuristisch verfremdet, die Silhouette der Hochhäuser in fast *amerikanischer Manier hoch in den Himmel gerichtet. Die *Musik verstärkt den Rhythmus durch schnellen Techno-Sound, der zum unterlegten Geräuschpegel einer high-tech-city paßt. Der Kameraschwenk folgt der horizontalen Bewegung der Bahn diagonal durch den Ausschnitt des Bildes, dann, für einen Moment, fließender Verkehr, Autos fahren vorbei, und sogleich schießt die Bahn wieder zurück ins Bild – und Schnitt: es folgt das Bild eines Mannes mit weißem Helm, der versucht, sein Motorrad zu starten. Im Hintergrund der Szene merkwürdig abstrakt wirkende Laternen, hohe Häuser, eine Brücke, über die sich eine andere Bahn schiebt.

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Ausschnitt aus: *Migrationsdiskurs im Kurz- und Dokumentar*film
Peter von Guntens They teach us how to be happy und Pepe Danquarts Schwarzfahrer

Hess-Lüttich Ernest




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In their lowest servitude and depression, the subjects of the Byzantine throne were still possessed of a golden key that could unlock the treasures of antiquity, of a musical and prolific language that gives a soul to the objects of sense, and a body to the abstractions of philosophy.

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In ihrer erniedrigenden Unterwürfigkeit und Unterdrückung besassen die Untertanen des byzantinischen Thrones trotzdem noch einen goldenen Schlüssel, mit dem sie die Schätze der Antike öffnen konnten; eine *musikalische und fruchtbare Sprache, die den Wahrnehmungen der Sinne eine *Seele geben und den Abstraktionen der Philosophie einen Körper verleihen konnte.

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Ausschnitt aus: Das Empire der Sprache
Hughes Peter




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An dieser Stelle ist noch ein «zugewandter Ort» zu erwähnen, der sich unseren Pausenrunden oftmals zugesellte, wenn er nicht am Klavier beschäftigt war, an dem er bereit eine beachtliche Virtuosität entwickelt hatte. Er hiess denn auch allgemein «Beethoven» und war vielleicht ein Katalysator unserer gemeinsamen *musikalischen Interessen. Er gedachte, Pianist zu werden (und ist es, offenbar zu seinem Unglück, dann auch geworden), während ich damals – als Sohn eines Violinisten – entschlossen war, Kapellmeister zu werden, mich redlich abmühte mit meiner Violine und später am Klavier, komponierte – «Beethoven» führte sogar einmal ein Stück von mir öffentlich auf – und dirigierte: Mein Leben ausserhalb der Schule verbrachte ich zunehmend mit Chören und Laienorchestern, die ich mit grossem Ehrgeiz auf ein ernst zu nehmendes Niveau zu bringen suchte. Es war in diesem Kontext, dass sich erste Irritationen in meine freundschaftlichen Gefühle schlichen: Michael verlegte sich kurzerhand auf die *Querflöte – ein in meinen Augen nicht ernst zu nehmendes Instrument – und machte damit so rasante Fortschritte, dass er kurz darauf mit dem Schulorchester, in dem ich in der zweiten Geige mit knapper Not mithielt, das Flötensolo von Bachs h-moll-Suite blies. Da stiess sie mir zum ersten Mal auf: Die unerträgliche Leichtigkeit von Michael Böhlers Sein.

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Ausschnitt aus: Autobiographische Notizen zu Michael *Böhler
Lutz Christian




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