*Autorschaft erscheint in *Gottfried Kellers poetologischen Reflexionen sowie in seiner literarischen Beschäftigung mit der Künstlerthematik ausnahmslos an männliche Figuren gebunden. Indem Keller den Künstler als Schöpfer »süßer Frauen*bilder« vergegenwärtigt, bezieht er sich in anspielungsreicher Weise auf Denkfiguren, die in der petrarkistischen Liebeslyrik, dem Mythos von Pygmalion oder in den Erzählungen über die Inspirationskraft der *Musen vorgezeichnet sind. Die Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf folgt dabei einer Dramaturgie der Geschlechter, deren normativer Charakter gerade dort besonders prägnant hervortritt, wo Keller weibliche Figuren in die Position der Autorschaft versetzt. Die Umkehrstruktur macht die Gültigkeit männlicher Autorschaft deutlich. Sie stellt gleichsam die Inszenierung einer verkehrten Welt dar mit dem Ziel, nicht Austauschbarkeit und damit Gleichwertigkeit der Geschlechter in bezug auf die künstlerische Produktion zu illustrieren, sondern vielmehr den Ausschluss der Frau aus der Sprechposition zu sanktionieren. In der Art und Weise, wie Keller die Thematik der Autorschaft gestaltet, geben seine Texte aber zugleich Aufschluss über die Mechanismen der Ausgrenzung, so dass sie in doppelter Weise als Vollzug dieses Vorgangs und als Kommentar lesbar sind.

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Im Himmel – so fährt Keller in einem ersten Nachtrag fort – ist eben ein hoher Festtag, zu dem auch die neun heidnischen *Musen geladen sind. Ähnlich wie Musa sind sie als Hilfspersonal bestellt, denn es fehlt im Himmel nicht nur an Tänzerinnen, sondern auch an guten Sängerinnen. Weil die Musen ihre Pflicht zur Zufriedenheit aller Anwesenden erfüllen, verspricht ihnen die Jungfrau Maria, sich für ihre dauernde Aufnahme in den Himmel einzusetzen. Mit diesem Versprechen schliesst Keller seinen ersten Nachtrag. In einer zweiten Ergänzung dann gab er der Geschichte von Musa und den Musen folgenden Abschluss:

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Ausschnitte aus: Stimme und Schrift. *Geschlechterdifferenz und *Autorschaft bei *Keller.html'>Gottfried Keller
*Amrein Ursula




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Ausführlicher lässt sich E.T.A. Hoffmann mit der Künstlerbiographie, die er in seinem "Nachtstück" mit dem Titel Die Jesuiterkirche in G. schildert, auf eine solche mittlere Option ein. Ihr Protago-nist, ein Maler namens Bertold, durchläuft in Italien eine steile Entwicklung, die aus ihm schliess-lich einen zweiten Raffael macht. Die in Neapel ausbrechende Revolution krönt diese Traumkarriere durch eine private Glückserfüllung, indem sie dem Malergenie seine ferne Ge-liebte als Ehefrau an die Seite führt. Dies erweist sich aber als böses Verhängnis, untergräbt doch die alltägliche Nähe die alles entscheidende Macht dieser Muse und bringt Bertolds Kreativität zum Erliegen. Der unglückliche Künstler weiss sich nicht anders zu helfen, als sich der Frau zu entledigen, – man munkelt von einem Mord – und verdingt sich dann als Architektur-maler, der in deutschen Kirchen Trompe-l'oeils von kostbaren italienischen Marmoraltären auf die Wände zaubert. Hinreissend ist die nächtliche Szene gestaltet, in welcher ihn Hoffmann vom Malergerüst herab eine Strafpredigt halten lässt, worin er alle Künstler, die wie er einst selber nach dem vollkommenen Kunstwerk streben, als Frevler geisselt, weil sie als Schöpfer zu Gott in Konkurrenz treten wollen. Die Rede ist ein Plädoyer für eine Kunst, die, wie Bertolds Archi-tektur-malerei, den Surrogatcharakter offen eingesteht, der ihr als Menschenwerk grundsätzlich innewohnt.

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Ausschnitt aus: "die sorglos in Holzschuhen tanzende *Muse" Das Bild des Künstlers und das Genre der *Bildergeschichte: Rodolphe Töpffers Monsieur Pencil und Wilhelm Buschs Maler Klecksel

*Müller Dominik




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Else Lasker-Schüler muss zurück in die Stadt, zunächst ins nahe München und danach wieder zurück nach Berlin. Die Dichterin erweist sich als eindeutige Pflanze der Grossstadt, die nirgendwo sonst zur Ruhe kommt. Auch auf sie scheint sich zu beziehen, was Paul Westheim notiert:

Ich kenne einige Menschen in Berlin, für die, wenn sie müde, abgespannt, nervös sind, die Erfrischung ist, sich eine halbe Stunde am Potsdamer Platz oder an der Gedächtniskirche auf eine Caféterasse zu setzen und hineinzublicken in das Gewühl der großen Stadt, das vor ihnen brandet. (Westheim, 318)

Für Else Lasker-Schüler liegt, ebenso wie für ihren Freund Gottfried Benn, die Inspiration in den Strassen:

Wir sind aus Riesenstädten, in der City, nur in ihr schwärmen und klagen die *Musen. (Benn, 102)

Nur hier fühlt sie den Puls der Kreativität, nur hier hört sie, welche Stunde die Kunst geschlagen hat. Sie selbst schreibt:

Unsere Stadt Berlin ist stark und furchtbar, und ihre Flügel wissen, wohin sie wollen. Darum kehrt der Künstler – doch immer wieder zurück nach Berlin, hier ist die Uhr der Kunst, die nicht nach, noch vor geht. (GW I, 638)

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Ausschnitt aus: Ein Prototyp: Else Lasker-Schüler - Dichterin in der *Metropole *Berlin um 1900
*Binotto Johannes





digitale fingerübungen auf traurigen tasten - eine fussnote für schreibhandwerker. *michael böhler elektronisch übermittelt von peter utz




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Dies ist in verschiedener Hinsicht eine unerwartete Erfüllung von Goethes Diktum über die Weltliteratur, eine geteilte Erfahrung indem die Leere der Kolonialwelt einen Bogen schlägt zum Ruin der ehemaligen Kolonialherren. Und Naipauls Wahrnehmung von der "zerbrochenen Welt” Berlins, für die er zwar eine hinduistische Erklärung hat, ist ein Wiederhall von Brochs abschliessenden Worten über den "quellenden Brunnen der Mitte, unsichtbar leuchtend in unermesslicher Wissensangst: das Nichts erfüllte die Leere und ward zum All.”

Die unausgesprochene Implikation dieser Lesart kann nun konkret als Theorie (oder ist es eine Gegentheorie?) formuliert werden: Gegen die Tendenz postkolonialer Studien, die sich auf dubiose historische Kategorien abstützen, sagen also Walcott und Naipaul, dass die Geschichte ein Alptraum sei, aus dem wir, genau wie James Joyce, erwachen wollen. Walcott stellt die Worte von Joyce sogar seinem wichtigen Essay "The Muse of History” als Epigraph voran. Es ist die aesthetische und politische Herausforderung an die Muse der Geschichte, welche die Weltliteratur zur modernen Realität macht, als Weg heraus aus dem Zyklus von Nostalgie und Wut. Walcott sagt zu Beginn seines Essays:

"In der Neuen Welt hat die sklavische Unterwürfigkeit gegenüber der Muse der Geschichte eine Literatur der Gegenbeschuldigung und der Verzweiflung hervorgebracht, eine Literatur der Rache seitens der Nachkommen von Sklaven beziehungsweise eine Literatur der Reue seitens der Nachkommen von Sklavernhaltern...Diese Scham und Ehrfurcht vor der Geschichte erfüllt Dichter der Dritten Welt, die Sprache als Sklaverei empfinden und in ihrem zornigen Streben nach Identität nur Zusammenhanglosigkeit oder Nostalgie respektieren.”

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Ausschnitt aus: Das Empire der Sprache
*Hughes Peter





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