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1 Fremde im Film als Medium des Migrationsdiskurses

"Fremde im Film" sind der Normalfall und vielleicht nicht weiter der Rede wert. "Fremde" war und ist Thema und Objekt der Filmgeschichte seit ihren Anfängen – als Exotisches, Folkloristisches, Sozialkritisches, als Klischee und Kolorit. Darum, versteht sich, geht es hier nicht. Die Darstellung des Alltags in unseren westlich-postindustriellen Gesellschaften als ein anderes Medium des Migrationsdiskurses indes hat bislang kaum das Interesse der kritischen Diskursanalyse geweckt. Dabei schwillt das Corpus an, auf das sich dieses Interesse richten könnte: *Spiel*filme, Kurz- und Dokumentarfilme als Reflex der öffentlichen Debatte über die Migrationsprobleme in multikulturellen Gesellschaften, in denen ethnische Minderheiten von den Medien vornehmlich als soziales Problem einprägsam ins Bild gerückt zu werden pflegen, das dann einer xenophobischen vox populi als Beleg und Abbild einer Realität dient, die mit eigenen Alltagserfahrungen kaum auszustatten wäre.
In *Hollywood wurde T. Coraghessan Boyles politisch korrekter Bestseller The Tortilla Curtain (dt. América) aufwendig verfilmt als Parabel über die Migranten aus Mexiko. Von illegalen Immigranten handelt auch der Film "Brothers in Trouble", in dem der in England aufgewachsene Inder Udayan Prasad den konfliktträchtigen Alltag in Londoner Quartieren zeigt, in denen die Einwanderer vom indisch-pakistanischen Subkontinent schon die Mehrheit der Bevölkerung stellen. "Harte Unterhaltung" nach Art der Briten ("Mein wunderbarer Waschsalon") wollen auch die jungen deutsch-türkischen Filmemacher wie Neco Çelik bieten, der neben seinem Job als Sozialarbeiter im *Berliner Jugendtreff Naunynritze einen Film für den WDR dreht. Alltag der Berlin-Türken ist das Thema der Filme von Thomas Arslan ("Dealer") oder Yüksel Yavuz ("Aprilkinder"). Der Regisseur Kutlug Ataman, der nach etlichen Jahren in Berlin, aber auch in Paris und Los Angeles, heute wieder in Istanbul arbeitet, bietet mit seinem Film "Lola und Bilidikid" eine multikulturelle Mixtur aus türkischem Melodram, deutscher *Familiengeschichte und *amerikanischem Thriller, aber auch die anrührende Liebesgeschichte zweier Männer im Kiez: Lola, Türke und Transvestit und Star der nächtlichen Show, verdreht dem 17jährigen Murat den Kopf – Verwirrung der Gefühle.
Das Thema scheint seit kurzem bei Filmemachern und Medienleuten, aber auch bei einem Teil des Publikums, auf so lebhaftes Interesse zu stoßen, daß das Amsterdamer Dokumentarfilm-Festival ihm mit einer eigenen neuen Reihe unter dem Titel "Global Motion" ein vielbeachtetes Forum bietet für Filme über Flüchtlinge, Migranten, Asylanten. Im österreichischen Linz haben Sabine Derflinger und Bernhard Pötscher ihren Dokumentarfilm "Achtung Staatsgrenze!" in einem Abschiebungsgefängnis gedreht. Maurizio Zaccaro schildert in seinem Film "Articolo 2" die vergeblichen Versuche des Algeriers Mohamed, seine "zweite" Familie bei sich in Italien aufzunehmen, in der sein Status freilich als Bigamie verfolgt wird. Der Film "Winterblume" des in Köln lebenden Kadir Sözen beschreibt in eindringlichen *Bildern den illegalen Versuch eines abgeschobenen Türken, zu seiner Familie zurückzukehren. Mehmet Umut erfriert im *Schnee eines *Alpenpasses, während das Gericht das Urteil fällt, seine Rückkehr doch noch zu erlauben. Meist aber steht am Ende des Verfahrens, nach Jahren zermürbenden Wartens unter Fremden in Asylunterkünften, mit fremder Kost und bei strengem Arbeitsverbot, die Abschiebung, die in Österreich 'Schubhaft' heißt und in der Schweiz 'Ausschaffung'.

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Ausschnitt
aus: *Migrationsdiskurs im Kurz- und Dokumentar*film Peter von Guntens They teach us how to be happy und Pepe Danquarts Schwarzfahrer
Hess-Lüttich Ernest






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