Hürdenfaktor technischer Stand
Trotz der Anstrengungen der EntwicklerInnen bestehen heute technische
Mängel, die so schnell nicht gelöst werden können. Die im Internet
gängige Kommunikationstechnologie wurde ursprünglich nicht für
Dienste wie Multimedia, Broadcasting und Sicherheitsvorkehrungen
vorgesehen, die heute im Mittelpunkt der Ansprüche an das Web
stehen. Zwar ist in Form von «IP next generation» (IPv6) eine Erneuerung des Kommunikationsprotokolls geplant, doch bis
dahin müssen die für E-commerce grundlegenden Bereiche Authenzität
und Verschlüsselung mittels spezieller Lösungen abgedeckt werden.
Dadurch entstanden und entstehen eine Vielzahl technisch unterschiedlicher
Bezahlungsmöglichkeiten, die sich aber bis heute noch nicht etablieren
konnten. Gemäss einer 1995 erfolgten Befragung von Web-KonsumentInnen durch Roy Weiller von der Management School of Imperial College in England werden folgende Kriterien für «Cyber-Money» als wichtig erachtet: 1. Weite Akzeptanz, 2. leichte Handhabung,
3. Portabilität, 4. Sicherheit, 5. Interoperabilität, 6. Zahlungsmöglichkeit
auch für kleine Beträge, 7. Deckung durch Regierung und 8. Anonymität.In der Schweiz läuft ein von Europay lanciertes Pilot-Projekt für ein global eingesetztes Zahlungs-System namens «Secure Electronic Transaction», das die Unterstützung aller Computer- und Software-Branchenleader geniesst. Es unterstützt jedoch vorerst nur Kreditkarten
und sollte 1998 in Einsatz gelangen. Vorherrschendes Zahlungsmittel
im Web ist deshalb bis jetzt die Kreditkarte, die von den HändlerInnen
wie beim Phone-Order-System eingesetzt wird. Die Schweizer Kreditkartenfirmen reagieren
darauf aber ablehnend und reichen - so VISA Schweiz und Europay
- grundsätzlich keine Hand für ein solches Vorgehen. VISA Schweiz
droht ihren Vertragspartnern gar mit Kündigung, falls diese ihren
Phone-Order-Vertrag via Web missbrauchen. VISA Schweiz und Eurocard Schweiz weisen zudem darauf hin, dass das Risiko bei Internet-Gebrauch vollständig bei ihren VertragspartnerInnen (also den
Web-AnbieterInnen) liegt, diese bei Doppelbelastungen oder irrtümlichen
Bestellungen für Schaden aufzukommen hätten. Den EndkundInnen
raten erwähnte Kreditkarten-Unternehmen, keine Kartennummer über Internet bekanntzugeben,
sondern dafür die herkömmlichen Kanäle zu benützen.Zudem sind Kreditkarten für viele Geschäfte via Web schon deshalb
nicht geeignet, weil ihre Transaktionskosten - insbesondere für
internationale Zahlungen - im Verhältnis zu den Zahlungsbeträgen
zu hoch liegen. Gemeint sind damit Zahlungen von Beträgen unter
$10, die auch als «micro billing/payments» («The Buck Starts Here» in Wired 4.08) bezeichnet werden. Schätzungen gehen dahin, dass im Jahr 2000
ca. 40% aller E-commerce-Transaktionen nicht mehr mit Kreditkarten sondern mittels E-cash
bezahlt werden, wovon 60% der Beträge unter $10 liegen werden
(The CyberMarketing Letter, January 31, 1997). Zahlreiche kleinere Anbieter privater E-Money Systeme versuchen
deshalb ihre Lösungen durchzusetzen. Da die Anzahl virtueller
Shops, welche die entsprechende Währung akzeptieren, noch gering
ist und die Koppelung an die «nationalen Währungen» nicht genügend
gewährleistet ist, konnten sich Firmen wie First Virtual, Cybercash oder Digicash nicht etablieren. Hierzulande hat noch keine «Cyber-Währung» Anschluss an den Schweizerfranken gefunden. So gibt es
in der Schweiz keine öffentlichen Pilotprojekte mit E-Money, wie
dies beispielsweise in der BRD zwischen der Deutschen Bank und Digicash der Fall ist («DigiCash's Ecash to be Issued by Deutsche Bank»).In Zukunft könnten jedoch auch andere «global players» eine Währung
für den E-commerce bereitstellen, z.B. der allseits bekannte Software-Konzern Microsoft: «Was die Banken tun, ist für die moderne Ökonomie essentiell,
die Banken selbst sind es jedoch nicht», meint dessen Finanzmanager
J. Richard Fredericks.Auch die grossen Kreditkarten-Firmen und bisherigen Clearing-Stellen sind gewillt, ihre bestehenden Netze so auszubauen, dass
«pay now»-Lösungen nahtlos in bestehende Systeme integriert werden können.
Fieberhaft werden deshalb Zahlungsmittel entwickelt, die sowohl
on- als auch offline eingesetzt werden können und den Status von
Bargeld besitzen: Sogenannte SmartCards. In der Schweiz ist ein solches SmartCard-System mit dem Namen «CASH» bereits im Einsatz. Eine Integration
in den Web-Zahlungsverkehr, wo Probleme wie Interoperabilität, Akzeptanz,
Kompatibilität zu anderen Standards und Kosten für Karten-Lesegeräte mit PC-Anschluss ungelöst sind, liegt aber noch in
weiter Ferne. Auch sind - trotz des Namens - keine mit Bargeld
vergleichbaren Bezahlungen zwischen Privatpersonen möglich, und
es wird auch keine vergleichbare Anonymität gewährleistet. David Chaum, Crypto-Experte und Gründer der Firma Digicash, meint aber, dass das Gesellschaftsmodell
des nächsten Jahrhunderts entscheidend davon abhängt, ob und wie
«electronic privacy» gewährleistet werden könne.
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