Risikofaktor WWW-BenutzerInnen
In den letzten Jahren entdeckten die Markstrategen - so das «Kursbuch Internet» 1996 - «ein neues Medium. Populär, vermeintlich bevölkert mit der
Wunschzielgruppe aller Markenartikler - besser gebildet, besser
verdienend». Der Mythos von den konsumfreudigen Web-BenutzerInnen
verbreitete sich schnell. Da bis heute aber repräsentative gesamtschweizerische
Daten über die UserInnen fehlen, können zu den Eigenschaften der
Schweizer Web-NutzerInnen nur spekulative Aussagen gemacht werden. Die Daten des Internet-Survey.ZH96 zeichnen für den Kanton Zürich ein ernüchterndes Bild vom Verkaufskanal
WWW: 70% aller Internet-NutzerInnen des Kantons hatten bis Mitte
Oktober 1996 noch nie Software via WWW gekauft, obschon sich diese
wohl am ehesten für den Online Verkauf eignet. Drei Viertel der
Zürcher NutzerInnen haben auch noch nie andere Produkte über das
Web bezogen. Interessanter wird das Web-Konsumverhalten, betrachtet
man die BenutzerInnen unter verschiedenen soziodemographischen
Indikatoren. Selbständig Erwerbende sind im WWW konsumfreudiger
als Angestellte. Die verbreitete Annahme, die jungen NutzerInnen
würden das Web eher zum Einkaufen benutzen als Ältere, wurde in
der Zürcher Analyse nicht bestätigt; die Auswertung des Internet-Survey.ZH96 ergab das Gegenteil.Auch zwischen den verschiedenen Internet-Nutzungs-Typologien sind
für den Web-Commerce aufschlussreiche Unterschiede festzustellen.
So sind die Internet-Relay-Chat-User die konsumfreudigsten Menschen
in der «Web-Markthalle». Deshab sind bei firmeninternen Internet-Entscheiden
Kenntnisse über die Welt des IRC von grösster Bedeutung, denn
80% der sehr häufigen IRC-NutzerInnen geben an, Software und andere
Produkte via Internet zu kaufen und dies, obwohl die IRC-UserInnen
das Problem der Daten-Sicherheit stärker wahrnehmen als die übrigen
Internet-NutzerInnen. Werden Problembewusstsein im Bereich Datensicherheit
und Konsumverhalten aller Zürcher Internet-NutzerInnen betrachtet,
wird deutlich, dass letztere - im Gegensatz zu den IRC-NutzerInnen
- umso weniger konsumieren, je höher sie das Problem der Sicherheit
einschätzen. IRC-NutzerInnen vefügen im Vergleich zu anderen Internet-NutzerInnen
über ein differenzierteres Urteilsvermögen: Sie sind sich zwar
der Probleme und Risiken bewusst, können damit jedoch rational
umgehen. Die AnbieterInnen aber nehmen solche «kaufsentscheidenden» Gefühlslagen
der KonsumentInnen höchst selten zur Kenntnis. Erörtert wird hauptsächlich,
welche Produkte sich für den Verkauf via WWW eignen. Bei materiellen
Gütern gelten hochstandardisierte Produkte eher als erfolgreich
denn Raritäten. «Kundenspezifische, schwer zu beschreibende und
beratungsintensive Leistungen eignen sich schlecht für den Online-Verkauf»,
hielten André Kaufmann und Pascal Sieber schon 1996 in einer Studie über «Schweizer Firmen im Internet» fest. Bietet eine «Web-Verkaufsfläche» aber die Möglichkeit, ein
Produkt selbständig und modular zusammenzustellen, wie dies z.B.
beim Computerhersteller Dell der Fall ist, lassen sich auch hochindividualisierte
Güter verkaufen. Ebenso können Möglichkeiten wie Online-Support
und andere Kundendienste den Online-Verkauf von beratungsintensiven
Produkten ermöglichen. Aufgrund der dynamischen und vielschichtigen Möglichkeiten der WWW-Technologie sind theoretisch
alle Produkte via Web verkaufbar. Bloss, solange der Anteil der
Internet-NutzerInnen lediglich 10%-15% der Bevölkerung beträgt
und die Marktforschung kaum etwas über diese Bevölkerungsgruppe
weiss, bleibt das WWW als Verkaufskanal eine risikoreiche Sache.
Auch in den USA mit einem höheren Anteil an Internet-NutzerInnen
erwirtschaften gemäss ActivMedia weniger als ein Drittel der «Online-Händler»
tatsächlich Profite. Zukünftigen Schweizer Web-AnbieterInnen seien
nochmals die Studie von André Kaufmann und Pascal Sieber empfohlen: «Die Beurteilung des Nutzens durch die Internet-Verwendung
fiel in der schriftlichen Befragung im Durchschnitt nicht sehr
euphorisch aus. Alle vorgeschlagenen Nutzen wurden auf der Skala
von 1 (unbedeutend) bis 4 (entscheidend) mit Mittelwerten unter
dem Skalenmittel von 2.5 bewertet.»
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