Elite mit hoher Ausbildung
Artikel, erschienen in Media Trend Journal
Marc Böhler und Dani Vuilleumier
Repräsentative Studie zur Internetnutzung im Kanton Zürich
Während bisher über die Nutzerschaft des WWW nur spekuliert werden konnte
(MTJ 11-95), liegt nun eine erste repräsentative Studie vor. Zumindest für
den bevölkerungsreichsten Kanton Zürich können erste gesicherte Aussagen gemacht werden. Gut 7 Prozent oder 80 000 Personen zwischen Andelfingen und
Wädenswil tummeln sich mehr oder weniger regelmässig im Netz.
Die erste empirische Untersuchung bezüglich der Verbreitung des Mediums
Internet in der Bevölkerung des Kanton Zürich erlaubt statistisch präzise
Aussagen. Einer der Indikatoren, welche zur Messung der Diffusion des
Internet herangezogen wurde, ist die Bekanntheit des Mediums. Die Frage
«Haben Sie schon einmal vom 'Internet' gehört?» beantworteteten 87 Prozent
mit «Ja». Nur bei gut jeder achten Person im Kanton Zürich war Internet im
Herbst 1996 trotz der breiten Präsenz in den traditionellen Massen-Medien
immer noch unbekannt.
Effektive Nutzung eher überbewertet
Ein weiterer Indikator zur Verbreitung des untersuchten Mediums zeigt
jedoch, dass das Phänomen «Internet» durch seine häufige Erwähnung in den
Massen-Medien eher überbewertet wird und die breite Zürcher Bevölkerung
womöglich noch weit davon entfernt ist, geschlossen in das digitale
Informationszeitalter einzutreten. Auf die Frage: «Benutzen Sie das
Internet...
-nie
-sehr selten,
-gelegentlich oder
-oft?»,
gaben lediglich 2,9 Prozent an, das Internet «oft»
zu nutzen. Gelegentliche Internet-UserInnen sind mit 3,3 Prozent unbedeutend
mehr vertreten. Weitere 4,2 Prozent gaben an, das Internet «sehr selten» zu
nutzen. Insgesamt hat also jede zehnte Person im Kanton Zürichdas Internet
mindestens einmal benutzt oder ausprobiert. Um nur «echte» also
regelmässige Internet-UserInnen ausfindig zu machen, wurden die 4,2 Prozent
«Seltenheits-UserInnen» durch eine Filterfrage in zwei Gruppen gegliedert:
Diejenigen, die das Internet einfach so mal ausprobiert haben und
diejenigen, die es sehr selten aber regelmässig benutzen. Auf diese Weise
konnten weitere 1,1 Prozent als UserInnen deklariert werden, was zu einem
UserInnen-Anteil von insgesamt 7,3 Prozent führt. Dies entspricht einer Zahl von
etwa 80 000 Personen, die im Kanton Zürich leben und vom Internet Gebrauch
machen.
UserInnen so jung wie das Medium?
Das Internet entstand bekanntlich im Laufe der sechziger Jahre als
militärisches Kommunikationsprojekt des Pentagon. Es handelt sich somit um
ein sehr junges Medium, zumal die Möglichkeit eines Internet-Zugangs bis
vor etwa 3 Jahren praktisch nur an den Hochschulen und Universitäten
gewährleistet war. Um festzustellen, ob nicht nur das Medium selbst,
sondern auch dessen BenutzerInnen eher jung sind, sollte die Verbreitung
des Internet in Bezug auf verschiedene Altersgruppen näher untersucht
werden. Das teilweise verbreitete Cliché, es würden vorwiegend junge Kids
auf dem Netz herumsurfen, wurde dabei widerlegt. So benutzen beispielsweise
von den 30- bis 34jährigen Personen 13 Prozent das Internet, während von
den15- bis 19jährigen 9,4 Prozent UserInnen sind. Der höchste UserInnen-Anteil
befindet sich unter den nicht als jugendlich zu bezeichnenden 25- bis
29jährigen. In dieser Alterskohorte benutzt jede siebte Person das
Internet, also ziemlich genau doppelt soviele wie in der Bevölkerung
insgesamt. Das Durchschnittsalter der UserInnen beträgt 33 Jahre und liegt rund
10 Jahre tiefer als das Durchschnittsalter der Bevölkerung. Die älteste
Person des Samples, die Internet benutzt, ist eine 64jährige Frau. Der
älteste Internet-nutzende Mann ist 63 Jahre alt.
13 Prozent zwischen 15 und 39
Hinsichtlich der Frage nach der Altersverteilung innerhalb der
Internet-Nutzerschaft können die Personen des
Samples in vier unterschiedliche Altersgruppen aufgeteilt werden, wobei die
jeweiligen Anteile UserInnen pro Kohorte bzw. Gruppe über die einzelnen Jahre
einigermassen gleichmässig verteilt sind: Die erste Gruppe bilden die
Personen zwischen 15 und 39 Jahren, von denen etwa 13 Prozent das Internet
nutzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person zwischen 15 und 39 Jahren
Internet nutzt, ist doppelt so hoch als bei einer Person zwischen 40 und 54
Jahren. Der Anteil UserInnen in dieser zweiten Kohorte beträgt nämlich etwa 6
Prozent. Die dritte Gruppe verfügt über einen Anteil von 1,6 Prozent und
besteht aus Personen zwischen 55 und 64 Jahren. Die letzte und vierte
Gruppe bilden Personen, welche älter als 65 Jahre sind und die in der
Stichprobe nicht als UserInnen vertreten sind.
Knapp ein Viertel Frauen
Neben dem eben verworfenen Cliché, hauptsächlich Jugendliche würden das
Internet benutzen, besteht eine zweite weitverbreitete Annahme bezüglich
der sozidemographischen Konstellation der Internet-UserInnen. «Es gilt die
Faustregel, dass von zehn Internet-Nutzern acht männlich sind, einer
weiblich, und einer ein Mann, der sich als Frau ausgibt,» hiess es unlängst
in einem Leitartikel der «Weltwoche». Tatsächlich ergaben Umfragen, welche
über das «World Wide Web» durchgeführt wurden (z.B. W3B; www.w3b.de), ein
Geschlechterverhältnis von etwa 9 Männern zu einer Frau.
Dieses Verhältnis
stimmt jedoch kaum mit der Realität überein, sondern liegt vielmehr daran,
dass bei Umfragen, die direkt über das «WWW» durchgeführtwerden, keine
Repräsentativität erreicht werden kann. Denn bei solchen Umfragen liegt es
jeweils im Belieben der Personen, ob sie an der Umfrage teilnehmen wollen
oder nicht - es handelt sich also um eine Form der Selbstselektion, welche
zu einem nicht repräsentativen Sample führt. Vergleicht man WWW-Umfragen
und Telefoninterviews über Internet-Nutzung in den USA, kann festgestellt
werden, dass der Frauenanteil, der sich aus den WWW-Umfragen ergab, tiefer
liegt, als derjenige, welcher bei Umfragen mittels Telefoninterviews
ermittelt wurde. So kann auch die Faustregel aus demWeltwoche-Artikel mit
dem Datenmaterial der hier vorgestellten Studie verworfen werden: Knapp ein
Viertel (23,3%) der Internet-UserInnen im Kanton Zürich sind Frauen (Grafik Usex.pie). Die Frauen sind zahlenmässig nach wie vor stark
untervertreten, jedoch nicht in dem Masse, wie teilweise angenommen wird.
Männer neigen zum Übertreiben
Die reine Anzahl Frauen und Männer ist jedoch nicht aussagekräftig, falls
das Geschlechterverhältnis zu einem beliebigen Zeitpunkt der sich im
Internet «befindenden» Personen evaluiert werden soll. Wird nämlich die
Nutzungsintensität der Frauen mit den Männern verglichen, verschiebt sich
der Frauenanteil wieder nach unten.So haben fast ein Drittel der männlichen
UserInnen das Internet am Tag der Befragung genutzt, wogegen dies nur gerade für
10 Prozent der Frauen zutrifft. Ein Drittel der Frauen gaben zudem an, das
Internet «sehr selten» zu nutzen, während dies nur auf einen Zehntel der
Männer zutrifft. Frauen nutzen das Internet also sporadischer, sowohl in
der Nutzungsdauer als auch in der Nutzungsfrequenz. Diese Aussage ist
jedoch kritisch aufzunehmen, da geschlechterspezifische
Verhaltensdifferenzen auch auf möglichenVerzerrungen durch die
Datenerhebung basieren können: Während Männer bei Umfragen tendenziell
übertreiben, sind die Aussagen von Frauen oftmals zu bescheiden.
Tatort Arbeitsplatz
Von welchem Ort aus nehmen die Internet-UserInnen ihre Verbindung zum«Netz» auf,
und welchen Provider und WWW-Browser benutzen sie hierzu? Bei der Frage:
«Von wo aus benutzen Sie das Internet?» konnten mehrere Antworten gegeben
werden, da eine Person sowohl am Arbeitsort, wie auch zu Hause Zugang zum
Internet haben könnte (Grafik Nutzungsort). Bei dieser Frage haben etwa die
Hälfte aller UserInnen angegeben, sie hätten an ihrem Arbeitsort Zugang. Weitere
42 Prozent verfügen über einen Heimanschluss. Im Unterschied zu
amerikanischen Studien und in Übereinstimmung mit solchen aus Europa ist
der Heimanschluss im Kanton Zürich weniger verbreitet als der Zugang am
Arbeitsort. Dies könnte daran liegen, dass die Kosten der Infrastruktur bei
uns noch immer verhältnismässig hoch sind (insbesondere Telefongebühren,
aber auch Hardware, Providergebühren etc.).
Mit je 6 Prozent wurde der
Zugang bei Bekannten und in Internet Cafés genannt. 17 Prozent der UserInnen
benutzen das Internet von Schulen, Universitäten oder Hochschulen aus.
Dieser Anteil zeigt deutlich, dass die Zeit des Internet als eines rein
«akademischen Netzes» vorbei ist.
Als weiterer Indikator, welchen man ebenfalls zur «Internet-Demographie»
zählen kann, diente die Frage über welchen Provider die interviewten
Personen die Verbindung mit dem Internet aufnehmen (Grafik U38.pie). Ein Fünftel (20,5 Prozent) der Internet-UserInnen im Kanton
Zürich ist bei CompUserInnenve angemeldet. Der hoheAnteil könnte daran liegen,
dass CompUserInnenve schon seit 1991 in der Schweiz tätig ist. Die Schweizer
Provider SwissOnline, BlueWindow und AccessAG führen ein
Kopf-an-Kopf-Rennen, gefolgt von einem der grössten Provider in Europa,
EU-Net.
Nicht einmal diese vier zusammmen können jedoch den Anteil des
amerikanischen Providers CompUserInnenve überbieten. Ein Drittel aller UserInnen
wissen nicht, über welchen Provider sie Internet-Anschluss haben. Dabei
handelt es sich praktisch nur um Personen, die das Internet vorwiegend am
Arbeitsplatz, in der Schule oder im Internetcafé nutzen und somit für ihre
Internet-Tätigkeit nicht direkt wissen müssen, welches Unternehmen für den
Anschluss zuständig ist.
Marktführer Netscape
Ebenfalls 30 Prozent der UserInnen wissen nicht, welchen WWW-Browser sie
benutzen,um Informationen vom Internet zu beziehen. Setzt man diese
Unkenntnis mit der Nutzungsintensität in Zusammenhang, kann festgestellt
werden, dass der Browser umso eher bekannt ist, je öfter jemand das
Internet benützt. Praktisch die Hälfte der UserInnen gaben an, Netscape
Navigator zubenutzen. Beim Konkurrenz-Produkt von Microsoft waren es
hingegen nur jeder zehnte UserInnen. Während bei den Internet-Providern neben
CompUserInnenve heimische Alternativen bestehen, stammt praktisch die gesamte
Internet-Software aus den USA. Dasselbe gilt auch für die Sprache, welche
im Internet hauptsächlich verwendet wird. So gibt es auch praktisch keine
UserInnen, welche über keine Englischkenntnisse verfügen (Grafik M45.bar). Im Bezug auf die
Englischkenntnisse lohnt sich ein Vergleich mit den Non-UserInnen. Der Anteil
der Non-UserInnen, welche sehr gut Englisch können ist dabei weit geringer als
derjenige der UserInnen.
Auf der Gegenseite verfügen viel mehr NonUserInnen über gar
keine Kenntnisse, als dies für UserInnen gilt. Diese Diskrepanz liegt jedoch
kaum daran, ob jemand Internet benutzt oder nicht. Vielmehr sind die
Unterschiede im Bildungsniveau zwischen UserInnen und NonUserInnen dafür
verantwortlich. Fast zwei Drittel der NonUserInnen besuchten oder befinden sich
in einer Berufs- oder Fachschule. Diese Kategorie besitzt bei den UserInnen mit
41,1 Prozent einen wesentlich kleineren Anteil. Hingegen verfügen mehr als
ein Drittel der UserInnen über einen Hochschul- oder Universitätsabschluss, im
Gegensatz zu weniger als einem Fünftel der Non-UserInnen. Die UserInnen weisen also ein eindeutig höheres Bildungsniveau als die Non-UserInnen auf.
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Letztes Update: 5. März 1997 - ©Internet-Survey.ZH96-Team