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[...] Doch nun zuerst ein Wort zur Entstehung des Gedichts: Das wie der Faust-Monolog mit einer Gnome endende "Im ernsten Beinhaus wars", das Schillers Namen nicht nennt, entstand laut Handschrift am 25. September 1826; und am 26. meldet das Tagebuch: "die Terzinen abgeschrieben". Am 29. September äusserte der Autor gegenüber Kanzler von Müller: "Terzinen müssen immer einen grossen reichen Stoff zur Unterlage haben, wenn sie gefallen sollen." Wie Goethe zu dieser Überzeugung gelangte, ist aus seinen Lektürenotizen zu erschliessen: Er hatte kurz zuvor Teile der neuen *Dante-Übertragung von Streckfuss studiert, die er später auch rezensierte; und die Divina Commedia war ja nun eindeutig ein "grosser reicher Stoff". Die Wiederbegegnung mit ihr blieb auf den deutschen Dichter nicht ohne Wirkung. Goethe übernahm, wie angedeutet, Dantes Vers für zwei wenig später entstandene Texte. Und das könnte uns doch die Frage nahelegen, ob diese zwei Texte in Terzinenform nicht noch anderes miteinander und mit Dante verband. Der eigentliche Anlass für das Lehrgedicht Goethes war nicht seine Dante-Lektüre, sondern ein lokalgeschichtliches Ereignis: Schiller war 1805 in einen einfachen Tannensarg gebettet und im sogenannten Kassengewölbe des Jacobi-Friedhofs zu Weimar beigesetzt worden. Dieses Gewölbe war 1826 überfüllt und die Särge am Zerfallen. Der Weimarer Bürgermeister persönlich machte mit Hilfe des Totengräbers Schillers Sarg ausfindig, und ihr Fund wurde durch ein phrenologisches Gutachten zweier Ärzte bestätigt. Am 17. September 1826 wurde daraufhin Schillers Schädel in Anwesenheit von dessen Sohn Ernst in die Herzogliche Bibliothek überführt und im Sockel von Danneckers Schiller-Büste vorläufig untergebracht. Goethe liess sich dabei durch seinen Sohn vertreten, doch kam der Schädel wenig später in sein Haus am Frauenplan, wo er durch einen Chirurgen und den Bibliothekar noch fachgerecht präpariert wurde. In dieser Zeit, als Goethe dem ehrwürdigen Fund Gastrecht gewährte, entstand sein Gedicht. Es nahm gleichsam, wie Wolfgang Martens gezeigt hat, mehrere Topoi der barocken "memento mori"-Literatur zum Ausgangspunkt, um den Tod dann aber unter Verzicht auf alle christlichen Hoffnungen eines persönlichen Überlebens in einer Licht- und Geistvision spinozistischer Prägung "aufzuheben", in staunendem Innehalten vor dem Geheimnis der Verwandlungen von Geist in Materie und von Materie in Geist. [...] Ausschnitt aus: *Schiller, *Dante und der Anfang von *Faust II - eine Vermutung *Stern Martin |
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